Die Autorin der Harry-Potter-Romane wurde 2008 von der Harvard Universität für die „Commencement Speech“ eingeladen. Solche Reden haben eine lange Tradition und sollen Studenten, die gerade Ihren Abschluss erhalten, etwas mit auf den Weg geben. US-Universitäten bitten dafür meistens Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft oder Kunst. Rowlings Rede höre ich immer wieder. Zur Erbauung und zum Lernen. Sie zeigt auf wunderbare Weise:
Wie man Schüchternheit und Redeangst für sich arbeiten lässt – Rowling ist eher ein introvertierter, massenscheuer Typus. Das hält sie aber nicht davon ab, eine mitreißende Rede zu halten. Wie sie das schafft? Indem Sie Ihre Panik vor genau dieser Rede als Einstieg verwendet, sie voller Selbstironie übertreibt und damit die ersten Lacher und alle Herzen gewinnt.
Wie man Erwartungen bricht – was erwartet man zur Abschlussfeier einer Elite-Uni? Irgendwas über Erfolg, Zukunft, Ziele, Verantwortung, nicht wahr? Aber Rowling spricht über den Wert des Scheiterns.
Wie Ablesen genauso magisch sein kann wie eine freie Rede – okay, Rowling hat hier einen klaren Heimvorteil: Sie kann lebendig schreiben, sie weiß exakt, was wo stehen muss. Dennoch ist es ein ermutigendes Beispiel für alle, die lieber ein Skript vorlesen möchten statt frei sprechen: Man kann damit ein Publikum genauso bewegen.
Wie man schlicht bleibt und trotzdem wirkt – das schaffen nur ganz wenige auf der öffentlichen Bühne. Nicht aufdrehen. Bei sich bleiben, mit allen Stärken und Schwächen. Die eigene Eitelkeit bemerken und durch Humor wieder verpuffen lassen. Wie man das lernt? Durch liebevolle Selbstbetrachtung und ständiges Bemühen um Aufrichtigkeit. Das kann ein langer Übungsweg sein. „Erfolgsmenschen“ ist das oft nicht ganz geheuer. Aber es ist – siehe Rowling – ungeheuer machtvoll.
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